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Wann die ersten "Fremdarbeiter" in Pfreimd auftauchten, läßt sich heute nicht mehr genau feststellen. Die Augenzeugenberichte gehen hierzu weit auseinander. Einige glaubten sich zu erinnern, daß die ersten Kriegsgefangenen (Franzosen) etwa 1940 nach dem Frankreichfeldzug hier eintrafen. Sie trugen angeblich alle kakifarbene Anzüge (ohne Rangabzeichen), andere meinten, es sei lediglich einheitliche Arbeitskleidung gewesen. Diese Kriegsgefangenen wurden in der Regel einzeln den Betrieben bzw. Landwirten zur Arbeit zugeteilt, mußten aber abends in eine Gemeinschaftsunterkunft zurückkehren. Diese war im Gasthof "Goldener Löwe" (damals Holzwarth) untergebracht. Die Fenster waren vergittert, geschlafen wurde in Holzstockbetten, und ein deutscher Soldat war als "Aufpasser" eingeteilt.
Frau Theresia Richards berichtet, daß ihre Familie während des Krieges französische Kriegsgefangene als Hilfskräfte hatte. "Wir haben sie gut behandelt, und sie waren wie ein Teil der Familie. Sie schliefen im alten Holzwarth-Saal. Bei uns hielten sie sich Hasen und kochten ihren eigenen Sonntagsbraten". Frau Barbara Ostler ergänzt, daß an die Franzosen auch regelmäßig Verpflegung ausgeteilt wurde. Frau Wild (geb. Striegl, aus Gnötzendorf) konnte sich erinnern, daß auch im Tanzsaal des Gasthofes Lippert in Hohentreswitz Franzosen einquartiert waren und tagsüber bei den Bauern arbeiteten. Diese Gefangenen kamen alle aus dem Stammlager (Stalag) Nürnberg, durften von zu Hause Post bekommen und erhielten auch vom IRK der Schweiz Lebensmittelpakete mit "Luxusartikeln" wie Bananen, Orangen, Schokolade, alles Sachen, die unsere oberpfälzer Bauern kaum oder gar nicht kannten. Alle Zeugen berichten, daß diese zugeteilten Gefangenen fast ausnahmslos am (oft genug kargen) Mittagstisch mitaßen, was zwar verboten, aber doch allgemein praktiziert wurde. Frau Maria Denzinger erwähnt in diesem Zusammenhang, daß ihr "Spickenreuther-Franzose" einmal leichtsinnigerweise nach Hause schrieb, daß er sich bei Spickenreuther baden könne und am Tisch mitessen dürfe. Die deutsche Zensur "funktionierte", ein Beamter (Soldat) wurde nach Pfreimd in Marsch gesetzt, der diese "untragbaren Zustände" aufklären und abstellen sollte. Herr Spickenreuther redete sich darauf hinaus, daß in seinem Lebensmittelgeschäft hygienische und saubere Zustände herrschen müßten, und außerdem der Franzose nicht allein mit der Köchin in der Küche bleiben könne und dürfe (o la la!!). In vielen Fällen wurden diese Franzosen in den ja praktisch "männerlosen" Betrieben oft zu unentbehrlichen Helfern, einige Male in den turbulenter Nachkriegstagen und -wochen auch zu Beschützern ihrer "Gast-Familien".
Viele Franzosen arbeiteten auch nach Kriegsende und nach ihrer Befreiung durch die Amerikaner freiwillig bis zu ihrem Abtransport bei "ihren Familien" weiter. Das oft gute Verhältnis zwischen den Gefangenen und den deutschen Familien kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß es in den vergangenen Jahren in mehreren Fällen schon zu öfteren gegenseitigen Besuchen kam.
Manche Betriebe oder Familien hatten auch "ihren Polen" oder "ihren Russen" zugeteilt bekommen. Frau Barbara Ostler berichtet z. B., daß sie zu Hause (Gasthof Sittl) in der Wirtsstube auch eine Schuhwerkstatt hatten. Zwei Russen waren ihnen zugeteilt, die sehr gut arbeiteten und schöne Schuhe machten. "Auch mir haben sie welche gemacht", erzählt Frau Ostler. Bei den in den Familien untergebrachten Russen und Polen war das Verhältnis oft ähnlich familiär wie mit den Franzosen. Ein Russe blieb z. B. in Hohentreswitz bei "seiner Familie" und lebt heute noch dort. Daß diese Gefangenen auch "Gefühle" hatten, beweist die Erzählung einer Augenzeugin, daß einer dieser Russen (der "Hammermühl-Russe") dabei überrascht wurde,wie er in der Klosterkirche ganz allein im Mittelgang kniete und tief versunken und andächtig betete.
Wenig Kontakt hatte die Pfreimder Bevölkerung dagegen zu den polnischen und russischen Zwangsarbeitern, die im ehemaligen RAD-Lager untergebracht waren. Frau Anna Striegl (geb. Süß) erinnert sich, daß diese Zwangsarbeiter jeden Tag unter strenger Bewachung von dort morgens nach Untersteinbach und abends wieder zurück ins Lager geführt wurden. Sie mußten in einem nach Untersteinbach ausgelagerten Betriebsteil der Messerschmittwerke arbeiten. Diese "Fremdarbeiter", wegen ihrer Herkunft auch oft "Ostarbeiter" genannt, erhielten zwar geringfügigen Lohn, waren auch bei der Krankenkasse gemeldet, wurden verpflegungsmäßig anscheinend aber doch recht knapp gehalten. Frau Striegl und auch andere Zeugen berichten, daß einige um Milch und Nahrungsmittel bettelten, andere versuchten durch Umtausch von eigenen Bastelarbeiten (z. B. Strohschmuck, Reibeisen und Seiher aus Konservendosen) in Naturalien ihre Verpflegung etwas aufzubessern. Die Nazis achteten aber im allgemeinen streng darauf, daß kein zu enger Kontakt zur Zivilbevölkerung entstehen und sich keine "zarten Bande" entwickeln konnten. Auf "Blutschande" stand die Todesstrafe!
Nach der Besetzung durch die Amerikaner und nach der Befreiung der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter entstand zunächst einmal das absolute Chaos. Rache war angesagt! Diebstahl, Raub, Plünderungen, Vergewaltigungen, ja sogar Mord, waren an der Tagesordnung. Auch in Pfreimd hausten die Befreiten wie die Wilden, plünderten Geschäfte, Wirtshäuser, Schulen, Häuser, Wohnungen und bedrohten die Bevölkerung. Frau Richards erinnert sich mit Schrecken, daß die Deutschen unter Hausarrest standen, nur beschränkt Ausgang hatten, die Straßen aber mit Russen, Polen und ehemaligen KZ-Häftlingen voll waren. Sie zogen plündernd durch die Stadt, drangen in Häuser ein, nahmen sich unter Drohung, was immer sie brauchen konnten. Bei der Fa. Spickenreuther z. B. brachen johlende Russen ein, hausten im Lebensmittellager wie die Vandalen, schlitzten Zuckersäcke auf, zerbrachen Flaschen und warfen alles durcheinander. Die von allen so dringend benötigten Lebensmittel wurden dadurch unbrauchbar. Auch kam es gelegentlich zu tragikkomischen Ereignissen. Frau Richards erzählt, daß die "Grasser-Polen" die Brauerei plünderten, die Riesenfässer mit Äxten "anzapften" und dann treuherzig und freundschaftlich zu ihrem Vater sagten: "Komm, Josef, hol Dir auch Bier".
Hubert Amode